Rechtsfahrgebot auf deutschen Bundesautobahnen
Gilt auf deutschen Bundesautobahnen noch das Rechtsfahrgebot?
Gilt auf deutschen Bundesautobahnen noch das Rechtsfahrgebot? Eine interessante Frage, die wir in den letzten Wochen einigen Testpersonen gestellt haben! Das Ergebnis: Fast alle sagten „ Ja, ich meine schon“. Was aber überraschte: Jeder legt das „Rechtsfahrgebot“ anders aus. Bei Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebots droht ein Bußgeld und Punkte in Flensburg. Die AvD Vertrauensrechtsanwälte nehmen Stellung und versuchen die Rechtslage verständlich und klar darzulegen.
Testen Sie Ihr Wissen!
Richtig oder falsch? Fünf Thesen zum Rechtsfahrgebot auf deutschen Bundesautobahnen.
1. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Auf der Autobahn mit drei Fahrspuren ist die mittlere und fast leere Spur mit einem langsam fahrenden Autofahrer „dauerbelegt“. Dieser wechselt einfach nicht auf die rechte Spur. Die linke Spur ist frei. Autofahrer A ist der Ansicht, er darf mit angemessener Geschwindigkeit und besonderer Aufmerksamkeit rechts vorbei fahren. Richtig oder falsch?
Falsch! Das Rechtsüberholen auf der Autobahn ist strengstens verboten. Auf Autobahnen wird grundsätzlich links überholt. Es gibt nur zwei Ausnahmen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO):
- Ist der Verkehr so dicht, dass sich auf den Fahrstreifen für eine Richtung Fahrzeugschlangen gebildet haben, darf rechts schneller als links gefahren werden (§ 7 Abs. 2 StVO). Voraussetzung ist, dass auf allen Fahrbahnen der Verkehr so voll ist, dass nebeneinander gefahren wird.
- Wenn auf der Fahrbahn eine Fahrzeugschlange auf dem jeweils linken Fahrstreifen steht oder langsam fährt, dürfen Fahrzeuge diese mit geringfügig höherer Geschwindigkeit und mit äußerster Vorsicht rechts überholen (§ 7 Abs. 2a StVO). Was heißt konkret „steht“ oder „langsam“?
Der Verkehr steht: Steht der Verkehr auf dem linken Fahrstreifen darf auf dem rechten Fahrstreifen nicht mehr als 20 km/h gefahren werden. Kolonne links fährt langsam, d. h. maximal 60 km/h: Dann darf rechts mit keiner höheren Differenzgeschwindigkeit als 20 km/h gefahren werden. Also darf rechts max. 80 km/h gefahren werden. Keine der beiden Ausnahmen ist auf unseren Beispielsfall anwendbar. Autofahrer A darf daher nicht rechts überholen.
2. Gleiche Situation wie oben. Autofahrer A überlegt, wie er überholen soll. Er meint, er muss von der ganz rechten Spur über zwei Spuren nach ganz links wechseln und nach dem Überholvorgang wieder nach ganz rechts ausweichen. Richtig oder falsch?
Richtig! Dieses betrifft den Überholvorgang als solches. Auf Autobahnen ist grundsätzlich links zu überholen. Das verbotswidrige Rechtsüberholen außerhalb geschlossener Ortschaft wird gem. §§ 5 Absatz. 1, 49 StVO, 24 Straßenverkehrsgesetz, Nr. 17 Bußgeldkatalog-Verordnung mit einer Regelgeldbuße von € 100,- und der Eintragung von 1 Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg geahndet. Werden beim Rechtsüberholen zusätzlich noch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet, befinden wir uns schnell im Bereich der Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c Absatz 1 Nr. 2 lit b) Strafgesetzbuch. Dann drohen eine Geldstrafe im Bereich von etwa ein bis zwei Monatsgehältern sowie ein Entzug der Fahrerlaubnis für die Dauer von mindestens sechs Monaten.
3. Bei drei Fahrspuren auf der Autobahn darf der Autofahrer immer auf der mittleren Spur fahren. Richtig oder falsch?
Es kommt darauf an!
§ 2 Absatz 2 StVO besagt: „Es ist möglichst weit rechts zu fahren, nicht nur bei Gegenverkehr, beim Überholt werden, an Kuppen, in Kurven und bei Unübersichtlichkeit.“ Der Gesetzgeber baute aber eine Ausnahme in § 7 Absatz 3c StVO ein. Dort heißt es: „Sind außerhalb geschlossener Ortschaften für eine Richtung drei Fahrstreifen …gekennzeichnet, dürfen Kraftfahrzeuge, abweichend von dem Gebot möglichst weit rechts zu fahren, den mittleren Fahrstreifen dort durchgängig befahren, wo – auch nur hin und wieder – rechts davon ein Fahrzeug hält oder fährt.
“ Was heißt „hin und wieder“? Muss bereits jede Lücke, die rechts auftaucht, genutzt werden? Hierzu AvD-Vertrauensanwalt Bernd Höke von der Kanzlei Voigt: „Nein. Entscheidend ist, dass kein anderer Verkehrsteilnehmer behindert wird, wenn die Person auf der Mittelspur bleibt. Es wäre unsinnig, auf die Fahrspur rechts zu wechseln, wenn absehbar ist, dass alsbald ein weiteres Auto auf der rechten Spur überholt werden kann.“
Doch gilt das auch, wenn am weitentfernten Horizont ein Auto auftaucht? In vielen Köpfen existiert noch die sogenannte 20-Sekunden-Regel. Diese Regel wird in einem Urteil aus dem Jahr 1989 des Oberlandesgerichts Düsseldorf erwähnt (Urteil vom 6.9.1989, Az.: 2 Ss (OWi) 318/89 – (OWi) 93/89 II). Die frühere Rechtsprechung sah die Pflicht zum Einscheren auf die rechte Fahrbahn, „wenn dort die Möglichkeit bestand, 20 Sek. mit gleicher Geschwindigkeit weiterzufahren.“ Diese Regel gelte jedoch nur für zweispurige Fahrbahnen. Bei dreispurigen Fahrbahnen sei „die Dauer des möglichen Weiterfahrens mit gleicher Geschwindigkeit … erheblich größer zu bemessen.“
4. Das Rechtsfahrgebot gilt nur auf deutschen Autobahnen mit 3 Spuren. Richtig oder falsch?
Falsch! Das Rechtsfahrgebot gilt auf allen deutschen Bundesautobahnen – egal, ob 2, 3 oder 4 Spuren.
5. Bei dem Rechtsfahrgebot handelt es sich nur um ein Gebot, aber keine Pflicht. Der Autofahrer kann hier nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Richtig oder falsch?
Falsch! Das Rechtsfahrgebot entfällt nicht, wenn „irgendwo ein Fahrzeug in Sicht“ und die rechte Spur auf weite Strecken frei ist. Bei einem Verstoß dagegen sind € 80,- und ein Punkt fällig, wenn man dadurch zugleich andere Verkehrsteilnehmer an deren Vorankommen behindert (zum Beispiel den Hintermann, der zum Überholen erst nach links ausscheren muss).
Hier geht es zum Artikel von AvD Vertrauensrechtsanwalt Bernd Höke und Rechtsanwältin Heike Mareck.
Rechtsfahrgebot versus Linksüberholvorschrift
2016 - Ganz Deutschland steht im Stau. Ganz Deutschland? Nein, ab und an gibt es freie Autobahnen. Drei Spuren. Der Himmel auf Erden. Und gerade als man die Freiheit wiedererlangt hat, erkennt man diese Bremse auf der Mittelspur. Langsam aber stoisch fährt er vor sich hin. Rechts ist die gesamte Fahrbahn frei. Links überholen die PS-Giganten. Spätestens in dieser Situation haben wir uns alle schon einmal gedacht, „dann überhol ich einfach rechts.“ Noch bevor man zum Rechtsüberholen ansetzt, meldet sich das Gewissen und hält einen zurück. „Du weißt doch, du musst in Deutschland links überholen.“- „Der vor mir verstößt doch ganz offensichtlich gegen
das Rechtsfahrgebot. Hier muss es mir doch erlaubt sein rechts zu überholen.
Nach § 2 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung ( StVO ) müssen Fahrzeuge die Fahrbahn benutzen. Von zwei Fahrbahnen die Rechte. Nach Abs. 2 ist möglichst weit rechts zu fahren. Aber was heißt das schon. Das Rechtsfahrgebot soll sicherstellen, dass Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen und überholen können, dient also dem Schutz der Verkehrsteilnehmer die sich in Längsrichtung auf derselben Straße bewegen. Das Rechtsfahrgebot verletzt, wer sich auf breiter Fahrbahn ohne vernünftigen Grund nicht auf seiner Seite rechts hält oder aber wer zu weit nach links gerückt ist. Es ist möglichst weit rechts zu fahren, das ist allerdings kein starrer Begriff und lässt verkehrsgerechte Abweichungen zu.
Das Rechtsfahrgebot gilt entsprechend auf Autobahnen gemäß § 18 StVO. Also macht der vor uns doch alles falsch. Nein, nach § 7 StVO gilt Folgendes: Auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung dürfen Kraftfahrzeuge von dem Gebot, möglichst weit rechts zu fahren, abweichen, wenn die Verkehrsdichte dies rechtfertigt. Bei drei Richtungsfahrstreifen außerorts, darf der mittlere Fahrstreifen durchgängig befahren werden, soweit auch nur hin und wieder rechts davon ein Fahrzeug, ein einspuriges oder Nicht-Kfz hält oder fährt. „Aha, wenn also auf der rechten Fahrbahn hin und wieder ein Fahrzeug ist, dann darf er auch durchgängig auf der mittleren Fahrbahn fahren. Aber wie lange?“ Allein zu der Frage „hin und wieder“ ergibt sich nichts aus dem Gesetz. Im Grunde möchte der Gesetzgeber damit ein Schlangenlinienfahren auf der Autobahn vermeiden. Wenn man demnach auf der Mittelspur fahrend, keinen anderen Verkehrsteilnehmer offensichtlich behindert, ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden. Fährt man allerdings allein, so ist der rechte Fahrstreifen zu verwenden. Im Grunde kann man als Daumenrichtwert sagen, dass ein Einscheren auf die rechte Fahrbahn dann wieder möglich ist, wenn auf der rechten Fahrbahn eine Lücke entsteht, die eine Weiterfahrt auf der rechten Fahrbahn von mindestens 20 Sekunden rechtfertigt. Dies ist aber wirklich nur ein Daumenrichtwert und eher nicht als bare Münze zu nehmen.
„Aber darf ich denn nun auf der rechten Fahrbahn überholen?“ Nach § 5 StVO ist links zu überholen. Rechts überholen ist im Grunde zulässig, bei einem sogenannten korrekten Linksabbieger und Schienenfahrzeugen (§ 5 VIII StVO).
Daneben darf nur in vier gesetzlich bezeichneten Fällen und stets nur bei Beachtung der zulässigen Fahrgeschwindigkeit und höchster Sorgfaltspflicht rechts überholt werden.
Schlangenbildung auf den gleichgerichteten Fahrstreifen. Eine Schlangenbildung liegt schon dann vor, wenn mindestens drei Kfz mit nicht mehr als dem doppelten der erforderlichen Mindestabstände fahren. Auf einer Autobahn ist allerdings die erforderliche Fahrzeuganzahl höher. Bei mehr als zwei Fahrstreifen muss sich die Schlange grundsätzlich auf allen Streifen gebildet haben.
Schlangenbildung auf dem linken Fahrstreifen. Hier muss die Fahrzeugschlange entweder stehen oder langsam fahren. Langsam ist eine Geschwindigkeit von weniger als 60 km/h. Zu überholen ist die Fahrzeugschlange mit äußerster Vorsicht und nur mit geringfügig höherer Geschwindigkeit. Diese darf nicht mehr als 20 km/h betragen. Nicht erlaubt ist das Rechtsüberholen durch einzelne Fahrzeuge die zu diesem Zweck aus der langsamen Kolonne nach rechts ausscheren um sich weiter vorn wieder links einzudrängen. Eine weitere Ausnahme regelt Abs. 3 für das innerörtliche Überholen sowie für Fahrzeuge die sich gemäß Abbiegepfeil ordnungsgemäß links eingeordnet haben. Zusammenfassend lässt sich demnach sagen, dass ein Befahren der Mittelspur nicht grundsätzlich verboten ist. Sofern es auf der Mittelspur weder zu einer Schlangenbildung kommt noch der Vorausfahrende nicht weniger als 60 km/h fährt, ist dies zwar ärgerlich jedoch ist ein Überholen rechts verboten.
Bei Nichtbeachtung des Rechtsfahrgebots auf Autobahnen droht mindestens ein Bußgeld in Höhe von € 80,- sowie ein Punkt in Flensburg. Für das Überholen auf der rechten Spur außerorts droht ein Bußgeld in Höhe von mindestens € 100,- und ein Punkt in Flensburg. Kommt es dabei zu einem Unfall erhöhen sich dadurch nicht nur die Strafe und Bußgelder, sondern die Mitverschuldensquote nimmt erheblich zu. Daher sollte weder unnötig die mittlere Spur durchgehend verwendet werden noch die rechte Spur zu Überholen, sondern auf die nächste Gelegenheit auf der linken Fahrbahn gewartet werden. Hierdurch schont man nicht nur den Geldbeutel, sondern schützt auch sich und andere.
Hier geht es zum Artikel von AvD Vertrauensrechtsanwalt Marc-Torsten Canestrini.
Veröffentlicht am 01.04.2020 in Verkehrsrecht.