AvD Fahrbericht: Range Rover D350 Vogue
Der britische Geländewagen begründete mit seinem Start 1970 die Kategorie der Luxus-Geländewagen - und der heutigen SUVs
Der britische Geländewagen begründete mit seinem Start 1970 die Kategorie der Luxus-Geländewagen – und der heutigen SUVs. Denn der Range Rover bot erstmals Offroad-Kompetenz in Kombination mit Fahrleistungen und –komfort auf Pkw-Niveau. Diese Eigenschaften hat der große Brite bis heute beibehalten und über vier Modellgenerationen hinweg weiter kultiviert. Und stets drängt sich der Eindruck auf, der Range Rover sei das Vorbild, dem sämtliche SUVs nacheifern und das sie gern sein wollten, wenn sie denn dürften. Und auch als Autoenthusiast ist es unmöglich, sich der Faszination Range Rover zu entziehen. Für uns Grund genug, das angebotene Tête-à-Tête wahrzunehmen und kurz vor dem Modellwechsel Ende 2021 mit einem Range Rover der Baureihe L405 auf Tour zu gehen.
Beim Näherkommen fallen sofort die durchaus üppigen Abmessungen ins Auge: Die Karosserie misst glatte fünf Meter in der Länge, ist knapp 2,1 Meter breit– ohne die Außenspiegel – und erreicht mit 1,88 Meter eine ziemlich lichte Höhe. Die Bodenfreiheit gibt der Hersteller mit knapp 30 Zentimetern an. Der Innenboden liegt allerdings noch ein paar Zentimeter höher – ganz zu schweigen von der Sitzfläche. Das Einsteigen wird für Menschen mit Normalgröße ein bisschen zum Hineinklettern. Dabei zeigt sich, dass die Möglichkeit, den Aufbau des geparkten Range mit Hilfe der serienmäßigen Luftfederung ein paar zusätzlich Zentimeter abzusenken, kein überflüssiges Gimmick ist.
Innen: Cooles Ambiente und High-Tech-Touch
Innen angekommen, umschmeicheln sesselhafte Vordersitze die Passagiere der ersten Reihe. Die Sitzposition lässt sich unkompliziert in diversen Dimensionen dem eigenen Gusto anpassen, entpuppt sich aber stets als hoch und vergleichsweise aufrecht. Das Raumgefühl wirkt luftig, der Blick gleitet über viel Leder über hier und da mit offenporigem Holz gesetzte Akzente auf ein aufgeräumt und übersichtlich wirkendes Armaturenbrett. Das Kombiinstrument mit Tacho und Drehzahlmesser erwacht erst mit dem Anlassen zum Leben, ist dann aber gut ablesbar. Die Möglichkeiten für individuelle Einstellungen der Darstellung halten sich in Grenzen, werden aber auch nicht vermisst. Die beiden großen Touch-Displays auf der Mittelkonsole geben sich nun als Infotainmentsystem und Klimasteuerung zu erkennen. Die Steuerung der Raum- und Sitztemperierung klappt ohne viel Eingewöhnung bestens. Die Kartendarstellung des Navigators wirkt indes etwas in die Jahre gekommen ist. Das haben wohl auch die Entwickler des Range Rover so, denn das System bietet an, die Routenberechnungen über ein per Android Auto gekoppeltes Smartphone zu erledigen, statt das autoeigene Navi damit zu beaufschlagen. Ein iPhone würde würde übrigens per Apple Auto eingebunden. Was auch immer genutzt wird, das Head-up-Display spiegelt die wichtigsten Routenhinweise und Fahrdaten ins Blickfeld des Fahrers.
Auch auf den Rücksitzen lässt es sich kommod verweilen – sofern die Beine nicht allzu lang geraten sind. Denn der hintere Beinraum fällt angesichts der Fahrzeuggröße erstaunlich knapp aus und entspricht eher einer Mercedes E- als einer S-Klasse. Und auch das Gepäckabteil hätten wir größer erwartet. Etwas flach wirkend, bietet es eine ordentliche Breite und viel Tiefe sowie 707 Liter Fassungsvermögen. Es könnte mehr sein, wenn sich unter dem klappbaren Gepäckboden nicht ein vollwertiges Ersatzrad aalen würde, was in unserem Fall immerhin 22 Zoll aufweist. Die zweigeteilte Heckklappe mag als Ranger-Rover-typisches Merkmal modellprägend sein, erweist sich aber in der Praxis bisweilen als unpraktisch. Immer dann, wenn Gepäckstücke bis ganz nach vorne an die Lehnen der Rücksitze gerutscht sind, wünscht man sich entweder Teleskoparme oder ein einteilig nach oben schwenkendes Heckportal.
Im Maschinenraum: Kraftwerk mit guten Umgangsformen
Vorne versteckt sich ein mild-hybridisierter Reihensechszylinder mit 3,0 Liter Hubraum und – na klar – Turboaufladung unter der großen Haube, der eine Leistung von 258 kW (350 PS) liefert. Damit soll der Range innerhalb von 7,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu bringen sein und eine Höchstgeschwindigkeit von 225 km/h erreichen. Schon im Leerlauf vermag das Aggregat mit seinem vibrationsarmen Lauf und seinem zurückhaltenden Arbeitsgeräusch zu gefallen. Das ändert sich auch nicht nach dem Losfahren. Ohne Verzögerung setzt der Motor Gasbefehle in Vortrieb um, zeigt kultivierte Drehwilligkeit und harmoniert dabei bestens mit der unauffällig arbeitenden, elektronisch gesteuerten Acht-Gang-Automatik. Dass die Maschine nach dem Selbstzünder-Prinzip des Rudolf Diesel arbeitet, ist allenfalls am nachdrücklichen Schub zu spüren, den 700 Nm Drehmoment entwickeln und der sich oberhalb von 2.250/min noch ein bisschen kräftiger anfühlt.
Im Fahrbetrieb wirkt der Range Rover viel handlicher als seine Abmessungen vermuten lassen, was auch an seiner sehr guten Übersichtlichkeit liegen dürfte. Dank großer Fensterflächen rundum und einer niedrigen Gürtellinie lässt sich sehr gut ermitteln, wo das Auto aufhört und Ungemach beginnt. Die serienmäßigen Parkpiepser rundum und die Rückfahrkamera helfen zusätzlich. So fühlt sich das britische Trumm auch in einer Innenstadt nicht wie ein Fremdkörper an. Allein die Einfahrt in ein Parkhaus oder eine Tiefgarage vermag den Puls des Range-Neulings zu beschleunigen – nicht wegen der Breite, es ist die Höhe. Denn der Gebäudedecke fühlt man sich dann bedenklich nahe.
Technische Daten Range Rover D350 Vogue
Lieber Landpartie als Shoppingtour
Deutlich wohler fühlt sich der große Brite aber doch außerhalb von menschlichen Ansiedlungen. Beim Gleiten über Land vermag er die Souveränität seines Antriebs und die Lässigkeit seines Fahrkomforts bestens zur Geltung zu bringen. Auf der Autobahn sind zwar problemlos Geschwindigkeiten oberhalb von 200 km/h erreichen, doch hat es seinen ganz eigenen Reiz, die Vorteile der erhöhten Sitzposition zu genießen. Denn im Range sitzen die Passagiere so hoch, dass sie nicht nur von oben das Geschehen in gewöhnliche Personenkraftwagen beobachten können. Noch interessanter sind allerdings die Gesichter, die aus Modellen der SUV-Oberklasse wie Porsche Cayenne, Audi Q7, BMW X5 oder Mercedes GLE zur Besatzung des Range Rover herauf blicken und deutlich erkennen lassen, dass sie diese Blickrichtung kaum gewohnt sind.
Hat man sich sattgesehen, erfordert es weder Überwindung noch schwitzige Hände mit dem Briten unter die ganz Schnellen auf der Autobahn vorzustoßen. Unser Testwagen schaffte laut Tacho mehr als 240 km/h. Ob das Plus gegenüber der Werksangabe auf den Tachovorlauf zurückzuführen ist oder unser Testwagen tatsächlich sehr im Futter stand, müssen wir offenlassen. Allerdings wirkt es sich auf den erkennbar Kraftstoffkonsum aus, wenn ein Auto mit den Dimensionen einer Fertiggarage derart über die Bahn geprügelt wird. Nach dem Ausloten des Machbaren stellt sich rasch eine Reisegeschwindigkeit ein, die zwischen 160 und 180 km/h pendelt. Dann begnügt sich der Range laut Verbrauchsanzeige mit 8,3 bis 8,5 Litern Diesel pro 100 Kilometer. Reisezeit und Reichweite stehen dann in einer guten Relation. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir die Verbrauchsangabe des Herstellers von 9,2 Liter auf 100 km mit einem Durchschnitt von 11,1 Litern deutlich übertroffen haben. Da wir aber überwiegend zügig auf der Autobahn unterwegs waren, gespickt mit etwas Stop-an-Go im großstädtischen Berufsverkehr, sollte das in Ordnung gehen.
Eine besondere Erwähnung haben die optionalen Pixel-Laser-LED-Scheinwerfer verdient, die bei Dunkelheit ihre ganze Klasse ausspielen und mit ihrer hervorragenden Fahrbahnausleuchtung glänzen können. Denn mit dem Range lässt sich mit Dauerfernlicht fahren – ohne es sich nachdrücklich mit den übrigen Verkehrsteilnehmern zu verscherzen. Denn die Scheinwerfer schaffen es mustergültig, entgegenkommende wie vorausfahrende Fahrzeuge aus dem Lichtkegel auszublenden. Auf Straßen mit getrennten Fahrstreifen gelingt das sogar mit Lastwagen, deren Scheinwerfer durch Mitteltrennung oder Bepflanzung verdeckt sind, weil die Sensorik augenscheinlich sogar die kleinen Positionslampen am Dach der Lkw-Fahrerkabinen zu erkennen vermag.
Gutmütig und komfortabel
Egal ob Stadtverkehr, Landstraße oder Autobahn, die Luftfederung des Range Rover hält die meisten Fahrbahnverwerfungen und Unebenheiten von den Insassen fern. Lediglich kurzen Wellen gelingt es, sich in der Lenkung und am Podex der Passagiere bemerkbar zu machen. Davon abgesehen bietet der Range ein hohes Komfortniveau, das angesichts seiner Talente auch in rauem Gelände höchst bemerkenswert ist. Apropos Lenkung: Deren Unterstützung erfolgt elektromechanisch, bietet aber dennoch ein ausreichendes Maß an Rückmeldung und Fahrbahnkontakt. Zudem beschert sie dem großen Briten einen für diese Fahrzeugklasse kompakten Wendekreis. Bei geringem Tempo lässt sich der Range Rover ohne nennenswerten Kraftaufwand dirigieren, während bei flotterem Tempo die gewünschte Straffheit gegeben ist, die das Gefühl eines stoischen Geradeauslaufs und sicherer Straßenlage vermittelt.
Aber weder Luftfeder noch Antrieb oder Lenkung können übertünchen, dass Kurven nicht zu den Talenten des Range Rover zählen. Bereits bei Stadttempo werden Richtungswechsel mit merklichen Aufbaubewegungen quittiert. Bei gesteigertem Tempo auf der Landstraße neigt sich die Karosserie dann sehr deutlich zum Kurvenaußenrand, sodass die Passagiere in Wechselkurven glauben, auf hoher See zu sein. Obwohl mit Rädern im 22-Zoll-Format besohlt und mit Reifen der sportlichen Dimension 275/40 R22 zeigt der Range Rover über einen weiten Bereich ein untersteuerndes Kurvenverhalten. Grundsätzlich untersteuernd ausgelegt, lässt sich das Eigenlenkverhalten mit dem Gaspedal nur eindimensional beeinflussen, weil je nach Tempo das Untersteuern stärker oder weniger stark ausfällt. Im Gegenzug erhält sich der Range jeder unfeinen Überraschung und zeigt selbst dann keinerlei Nickligkeiten, wenn der Pilot einen Richtungswechsel etwas zu euphorisch angehen sollte.
Die Crux mit dem Hänger
Die ausgeprägte Neigung zum Untersteuern ist sicherlich eine Folge des hohen Fahrzeuggewichts. Denn trotz eines umfassenden Einsatzes von Aluminium im Bereich der Karosserie bringt „unser“ Range leer bereits zweieinhalb Tonnen auf die Waage, voll beladen sind bis zu 3.180 Kilogramm erlaubt. Für den Hängerbetrieb hat die Sache allerdings – Achtung Wortspiel – einen Haken. Denn die meisten Führerscheininhaber dürfen nur noch maximal 750 Kilogramm anhängen. Wer dennoch die mögliche Anhängelast von 3,5 Tonnen ausnutzen möchte, muss die Führerscheinklasse BE vorweisen können.
So viel Stil, Komfort, Kraft und Kompetenz hat dann auch seinen Preis. Der ist erwartungsgemäß nicht von Pappe, wohl aber angemessen. Für den Ranger Rover D350 in der gehobenen Vogue-Ausstattung weist die Preisliste glatte 122.700 Euro aus. Unser Testwagen kommt auf tapfere 140.857 Euro, was unter anderem am Vorhandensein des optionalen Fahrassistenz Paket Premium liegt, das für 4.302 Euro Abstandstempomat, Notfall-Bremsassistent „für hohe Geschwindigkeiten“, Parkassistent, Spurhalteassistent und den Toter-Winkel-Spurassistent beinhaltet. Außerdem leisten unter anderem Metallic-Lackierung (1.202 Euro), 22-Zoll-Leichtmetallräder (2.861 Euro), Pixel-Laser-LED-Scheinwerfer (2.185 Euro), Head-up-Display (1.380 Euro) oder das Meridian Surround-Soundsystem (1.603 Euro) ihren Anteil am Preissprung.
Fazit
So wie der Ranger Rover war, ist und auch künftig sein wird, wollen wohl alle Premium-SUV sein, wenn sie mal groß sind. Warum? Weil die Geländetauglichkeit des Range Rover nicht bereits auf einem Feldweg oder einer feuchten Wiese an ihre Grenzen stößt. Weil er seine Talente als echter Offroader mit einem feinen Fahrkomfort verbindet, der ihn zu einem gediegenen Reiseauto macht. Und auch weil ein Range Rover jenen stilvollen Auftritt beherrscht, der in seiner Selbstverständlichkeit auf jegliches aufgesetzt wirkende Premium-Brimborium verzichten kann und so frei davon ist, Ressentiments oder Neid auszulösen.MD)
Veröffentlicht am 04.04.2022 in Rund ums Auto.
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