
Tempo 30 in Städten mit Augenmaß anordnen
Der AvD steht der Ausweitung von Tempo 30 innerorts weiter skeptisch gegenüber.
- Kommunen dürfen Belange von Pendlern nicht unberücksichtigt lassen
- „Grüne Welle“ sorgt für weniger Emissionen
- Investitionen in Straßeninfrastruktur ist für den Verkehrsfluss entscheidend
Der Automobilclub von Deutschland (AvD) steht der Ausweitung von Tempo 30 innerorts weiter skeptisch gegenüber. Die Bundesregierung hatte Ende Juni eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes beschlossen, die Ländern und Kommunen mehr Entscheidungsspielraum für verkehrsbeschränkende Maßnahmen gibt. So können Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung nun ausdrücklich bei Verkehrsanordnungen mitberücksichtigt werden.
Nach Auffassung des AvD, darf diese Rechtsänderung jedoch nicht dazu führen, dass flächendeckend der individuelle Verkehr mit Kraftfahrzeugen in Städten und Gemeinden eingeschränkt wird, um Kraftfahrzeuge aus den Innenstädten zu verdrängen. Den Mobilitätsbedürfnissen der auf das Auto angewiesenen Menschen muss auch weiterhin Rechnung getragen werden. Sowohl in gewerblichem Kontext als auch für private Zwecke ist besonders in Ballungsräumen der Zugang und die Erreichbarkeit von städtischen Kernbereichen unverzichtbar. Die Notwendigkeit, mit dem Auto zu pendeln, ist für weite Bevölkerungskreise alternativlos. Kommunen tragen auch jenen Menschen gegenüber eine Verantwortung, deren Wohnsitz zwar nicht innerhalb der Gemeindegemarkung liegt, die aber Tag für Tag ins Stadtgebiet einpendeln, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es ist nicht geboten mittels dirigistischer Maßnahmen Pendlern die Berufsausübung zusätzlich zu erschweren. Gerade Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sind vielfach auf das Auto angewiesen, um ihre Arbeitsplätze in den Städten zu erreichen. Ein öffentlicher Personennahverkehr ist allenfalls in den Nahbereichen der Ballungsgebiete vorhanden, operiert dort aber zu den Stoßzeiten an der Auslastungsgrenze. In weiten Teilen des Landes allerdings ist die Verfügbarkeit des ÖPNV so schlecht, dass er keine Alternative darstellt.
Der AvD ist davon überzeugt, dass Zugangs- und Entflechtungsstraßen für den Verkehrsfluss in den Städten unerlässlich sind. Hinzu kommt, dass individuelle Tempobegrenzungen wirkungsvoller sind, weil sie den Verkehrsteilnehmern Gefahrenstellen bewusst machen und so direkt auf die Verkehrssicherheit wirken. Vor Kindergärten oder Schulen haben Tempo-30-Schilder beispielsweise eine Signalwirkung und machen auf die besondere Situation aufmerksam. Diese Funktion würde bei einem flächendeckendem Tempo 30 entfallen.
Dass sich hingegen der CO2-Ausstoß durch Tempo 30 statt Tempo 50 verringert, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Einigen Studien haben vielmehr einen Emissionsanstieg für Bereiche ermittelt, in denen Tempo 30 gilt. Das wurde mit den nicht optimalen Betriebszuständen der Motoren erklärt und damit, dass die Motoren in niedrigeren Gängen mit höherer Drehzahl laufen. Für die Reduktion der Emissionsbelastung sowie zur Verbesserung des Verkehrsflusses ist es hingegen effektiver, die Ampelschaltungen zu optimieren.
Eine solche "grüne Welle" führt auch zu geringeren Geräuschemissionen. Sind die Kraftfahrer nicht gezwungen vor roten Ampeln abzubremsen und dann bei Grün wieder anzufahren, werden anschwellende Lärmpegel vermieden. Als überaus effizient für die Verbesserung des Verkehrsflusses haben sich dabei Telematikanlagen erwiesen. Auch der öffentliche Personenverkehr mit Bussen und Straßenbahnen hat noch ein hohes Potenzial zur Vermeidung von Geräuschemissionen. Durch den Einsatz „lärmoptimierten Materials" könnte dieser in relevantem Maße dazu beitragen, die Lärmbelastungen auf Haupt- und Durchgangsstraßen zu senken.
Auch dem Straßenzustand kommt eine wichtige Rolle für einen optimierten Verkehrsfluss und die Lärmvermeidung zu. Ist zum Beispiel, die Asphaltdecke frei von Schäden und Schlaglöchern, reduziert das die von Reifen und Fahrwerken verursachten Geräusche der Kraftfahrzeuge merklich. Wird darüber hinaus noch "Flüsterasphalt" aufgebracht, ist eine erhebliche Absenkung der Lärmbelastung erreichbar. Eine funktionstüchtige Straßeninfrastruktur, die dauerhaft mit ausreichenden finanziellen, sachlichen und personellen Mitteln ausgestattet ist, ist aus Sicht des AvD eine wichtige Grundlage für leistungsfähige Verkehrssysteme in Städten und Kommunen.
Der AvD fordert die Verantwortlichen in den Kommunen auf, die Anordnung von Tempo 30 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs, also Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen, außerhalb von Wohngebieten, ausschließlich aus Gründen der Verkehrssicherheit in Erwägung zu ziehen. Geht es nicht um Schulen, Kindergärten, Pflege- und Gesundheitseinrichtungen muss die angeordnete Tempobegrenzung immer in ein Gesamtkonzept des örtlichen Verkehrs, unter Berücksichtigung aller Verkehrsarten eingebettet sein. Die Änderung im Straßenverkehrsgesetz dürfen die Kommunen nicht als Freibrief für eine Politik fehldeuten, die sich gegen individuelle Mobilität richtet und Menschen davon abhalten soll mit dem Auto in die Stadt zu fahren.
Veröffentlicht am 26.07.2023 in Rund ums Auto.
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